Wettbewerb Gedenkort Deportationsrampe Mainz
Geladener Teilnehmer im nicht offenen Ideenwettbewerb mit Realisierungsabsicht
Engere Wahl, 4. Rang, 2017

Ausgangslage, Anlass, Leitgedanken

Auf den ersten Blick erscheint der Gedanke, auf einer unwirtlichen, von vorstädtischer Gewerbearchitektur umgebenen Restfläche einen Gedenkort für die Opfer der Deportationen aus Mainz zu errichten, widersinnig. Man stellt sich die Frage, ob der Rahmen dem Zweck angemessen und würdig ist. Natürlich ist er dies nicht.

Aber der Ort für ein solches Gedenken definiert sich ausschließlich über seine Geschichte, ungeachtet der Gefühle der Trauernden, weil eben die Täter des nationalsozialistischen Terrorregimes diesen Ort ohne jede Rücksicht auf die Würde jener Menschen, die sie am Güterbahnhof zusammengetrieben und von dort aus gewaltsam in die Züge in Richtung der Konzentrations- und Vernichtungslager gezwungen haben, unter rein strategischen Gesichtspunkten gewählt haben.

Die unmittelbare Nähe der für den Gedenkort gewählten Fläche zum Güterbahnhof macht diesen Ort zum richtigen Ort für das Gedenken an die mehr als 1100 gewaltsam verschleppten Menschen und das Erinnern an die Deportationen, den dokumentarischen Aspekt des Aufzeigens des Geschehenen. Dieser geschichtliche Kontext, aber auch sein heutiges städtebauliches Umfeld prägen diesen Ort.

So kann es für den künstlerischen Umgang mit ihm auch nicht das Ziel sein, den Charakter des Ortes zu verändern. Wir verstehen es geradezu als Aufforderung, diesen Charakter zu bewahren und zugleich einen würdevollen Rahmen für das Gedenken an die Opfer zu schaffen.

Der Güterbahnhof und seine historisch aufgeladene Umgebung waren über Jahrzehnte nicht Teil des öffentlichen Bewusstseins - auch das ist ein Aspekt, den es hier aufzuzeigen gilt. Deshalb ist der von uns vorgeschlagene Gedenkort ein zurückhaltender, vielleicht sogar zunächst unauffälliger Beitrag.
Ein Bodenrelief nimmt im vorhandenen Ausschnitt die Konturen der Deportationsrampe auf. Der ehemalige Kantstein – metaphorisch den letzten Berührungspunkt mit dem Heimatort beschreibend – trägt die Namen der Deportierten.

Es ist Teil der Konzeption, dass Passanten den Ort erst nach einer Weile bemerken. Er fügt sich sprichwörtlich nahtlos in den öffentlichen Raum ein und baut damit aber zugleich keinerlei Barrieren auf: ohne eine Grenze zu überschreiten kann ein Passant die Fläche betreten und sich an dem Kantstein mit den Namen der Deportieren der Bedeutung des Ortes bewusst werden.

Umgang mit Wettbewerbsfläche und Originalrampe

Die Fläche zitiert einen Ausschnitt der ehemaligen Rampensituation. Die erhaltenen Fragmente der Rampe werden zerkleinert und als Zuschläge für den Beton des Reliefs genutzt.

Die durch den Wettbewerb festgelegte Fläche wird zu einem Rahmen, der den zitierten Ausschnitt der Originalrampe definiert und umschließt.

Die Kontur der ehemaligen Rampenanlage wird durch die Grenzen der Bearbeitungsfläche förmlich „eingefangen“. Das so entstehende Bild wird zur Grundlage eines Reliefs, das die Deportationsrampe abstrahiert und nachzeichnet, ohne jedoch dem Betrachter zu suggerieren, vor der originalen Rampe zu stehen. Im Gegensatz zur ursprünglichen Rampe bildet das Relief keine starken Höhenversprünge aus, weder zum Gleisfeld noch zu den umliegenden Wegflächen.

Der ehemalige Basaltstein an der Kante der Rampe wird zum Leitbild für das Gedenkelement: Metallblöcke in der Dimension der ehemaligen Kantsteine umsäumen die Fläche. Erhaben sind dort die Namen und Geburtsdaten der Deportierten eingeschrieben und der jeweiligen Deportation zugeordnet.

30 Zentimeter unterhalb der Platzfläche wird das ehemalige Gleisbett durch einen grauen Feinsplitt nachgezeichnet, in das die einzigen erhaltenen authentischen Gleisfragmente nahezu flächenbündig eingelegt sind.

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